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Nachruf Günter Wulff

Quelle: privat/Gerhard Wulff

Das Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie, die Wissenschaftliche Einrichtung Chemie und die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät trauert um Univ.-Prof. em. Dr. Günter Wulff, der am 11. Dezember 2023 im Alter von 88 Jahren verstorben ist.

Günter Wulff wurde am 19. Februar 1935 in Hamburg geboren. Nach dem Chemiestudium, das er an der Universität der Hansestadt absolvierte, wechselte er zur Universität Bonn, wo er im dortigen Institut für Organische Chemie im Arbeitskreis von Professor Rudolf Tscheche seine Doktorarbeit über die Isolierung, Strukturaufklärung und Synthese von Glycosiden, einer Thematik aus der Chemie der Kohlenhydrate, anfertigte und im Jahr 1963 promoviert wurde. Auch in der Folgezeit blieb er am gleichen Institut tätig, zunächst als Habilitand, danach als Privatdozent und schließlich als akademischer Rat und Professor, wobei die Glycosidsynthese zunächst noch als Arbeitsgebiet beibehalten wurde.

Dass aus Günter Wulff ein weltweit anerkannter und führender Repräsentant der Makromolekularen Chemie wurde, ist unter anderem der Tatsache zu verdanken, dass der junge Privatdozent den Rat eines wohlmeinenden älteren Kollegen befolgte, sich ein gänzlich neues, eigenes Forschungsgebiet zu erschließen. Inspiriert durch die um die gleiche Zeit erfolgte Aufklärung der Struktur und des Wirkmechanismus von Enzymen wurde Günther Wulf zum Schöpfer der „molekular geprägten Polymere“. Diese üben bezüglich Aktivität und Spezifität eine enzymähnliche Wirkung aus. Mit dem grundlegend neuartigen, im Jahr 1992 erstmals publizierten und patentierten Verfahren des „molecular imprinting“ war Günter Wulff seiner Zeit weit voraus; seine Arbeiten wurden weltweit beachtet. Die Methode führte in der Folgezeit zu zahlreichen Anwendungen, unter anderem als Enzym-Nachahmungen, selektive Katalysatoren und Chemoensoren.

Von der Universität Düsseldorf wurde Günter Wulff 1979 auf den damals neu geschaffenen Lehrstuhl für Makromolekulare Chemie berufen, den er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2000 innehatte. In dieser Zeit traten neben das „imprinting“ weitere Forschungsgebiete, darunter die Untersuchungen zur Hauptketten-Chiralität in Polymeren, die für die Stereochemie von grundlegender Bedeutung sind. Ab Mitte der 1980er Jahre beschäftigte sich der Arbeitskreis Wulff auch mit der Nutzung nachwachsender, kohlenhydrat-basierender Rohstoffe als Ausgangsmaterialien für die Polymerchemie. Auch hier war Günter Wulff seiner Zeit weit voraus. Für diese in Industriekooperationen durchgeführten Arbeiten wurde Günter Wulff 1996 von einer Jury der Europäischen Kommission und des Europaparlaments der CEREAL-Preis verliehen. Von den zahlreichen weiteren wissenschaftlichen Ehrungen seien hier nur erwähnt: die Havinga-Medaille  der Universität Leiden und der Royal Netherlands Chemical Society (1997) und die Mitgliedschaft in der International Union of Pure and Applied Chemistry (1982-1995) sowie Mitgliedschaften im Kuratorium renommierter Fachzeitschriften, unter anderem der „Angewandten Chemie“ (1995-2005).

Neben der intensiven wissenschaftlichen Tätigkeit war Herr Wulff, wann immer er dazu gerufen wurde, aus Pflichtbewusstsein bereit in der akademischen Selbstverwaltung mitzuwirken; in den Jahren 1991 bis 1992 war er Dekan der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät. Mit Umsicht, Augenmaß und Sachverstand hat er diese Aufgaben erfüllt. Auch wenn in manchen Gremien die Emotionen gelegentlich überhandnahmen – Günter Wulff behielt die Contenance.

Die Studierenden an der HHU schätzten Professor Wulffs Vorlesungen; gerade auch dort wo er die Grundlagen der Organischen Chemie den Studierenden der Chemie, Biologie und Medizin vermittelte. Er betreute zahlreiche Dissertationen und seine Doktorandinnen und Doktoranden machten später ihren Weg in Industrie, Behörde und Hochschule. Für sie, wie auch für seine jüngeren Kolleginnen und Kollegen war er ein Vorbild. Er begegnete allen stets freundlich und wohlwollend. Er war gradlinig und bodenständig; Übertreibung, Überschwang und jegliches Getue waren ihm zuwider. Sein hanseatisches Understatement machte ihn ausgesprochen sympathisch.

Auf einem Chemiker-Ball hatten sich Günter Wulff und seine Frau Gertraud bereits in Hamburg kennengelernt. Seine Familie mit der Tochter Marianne und den Söhnen Wolfgang und Gerhard waren für Günter Wulff das Wichtigste. Er hatte das Glück seine vier Enkelkinder heranwachsen zu sehen. Wir trauern jetzt mit seiner Familie; wie seine Angehörigen sind auch wir dankbar für die Zeit, die wir mit ihm hatten. Wir werden Günter Wulff immer als begnadeten Wissenschaftler, kompetenten Kollegen und besonders geschätzten Menschen in Erinnerung behalten.

Manfred Braun

 

 

Autor/in: Dr. Klaus Schaper
Kategorie/n: Chemie Aktuelles, OC Czekelius, OC Müller, OC Schaper, MC Hartmann, MC St. Schmidt